Wenn man im medizinischen Bereich über Zukunft redet, wird oft über Big Data, künstliche Intelligenz und Robotik geredet. Den Patienten beim Hausarzt interessiert, aber selten, mit welchen neuen KI-Techniken man arbeiten kann.
Meistens interessiert ihn nur, wieso er im Jahr 2022 immer noch persönlich anrufen muss, um einen Termin zu vereinbaren. Wieso er seine Rechnung eine Woche später per Post bekommt und seine Anamneseformulare immer noch auf diesem nervigen Klemmbrett ausfüllen muss.
Es ist wichtig, dass wir Fortschritte in der Technologie und Pharmazie machen, allerdings sollte man da eine Sache nicht vergessen. Vielleicht sogar die wichtigste Sache.
Die Patientenkommunikation!
Patient Experience – Definition und Phasen
Customer Journey, Customer Experience, alles Begriffe, die nur außerhalb der Medizin-Welt Bedeutung haben? Nun, das war vielleicht bisher immer so, allerdings soll und wird sich dies hoffentlich bald ändern.
Die Patient-Experience beinhaltet also, genauso wie die klassische Customer Journey, alle Touchpoints, die ein Patient mit der Praxis oder dem Krankenhaus hat. Diese Punkte kann man grob in drei Phasen unterteilen, die alle wichtig sind und zu einer erfolgreichen und zufriedenstellenden Patient Journey beitragen.
In jeder dieser Phasen ist Digitalisierung von enormer Wichtigkeit.
Phase 1: Administrative Abwicklungen
In der ersten Phase finden alle administrativen Abwicklungen statt, meistens also Aufklärungs– und Beratungsgespräche. Alles von Terminvereinbarung, über Anamneseformulare, bis hin zur Absicherung von Patientendaten.
Digitalisierungspotentiale gibt es hier viele. Heutzutage muss man bei den meisten Praxen noch anrufen, um Termine zu vereinbaren, bzw. um sich zu erkundigen, wie viel gerade los ist. Nicht nur einfacher, sondern vor allem auch barrierefrei wäre es doch, dass die Terminvergabe, genauso wie alles andere, von unserem Smartphone aus funktioniert.
Auch Anamneseformulare müssen leider immer noch meistens ausgedruckt, von den Patient:innen auf dem Klemmbrett ausgefüllt, abgegeben, eingescannt und dann wieder digital im System hinterlegt werden, oder noch schlimmer, in einem riesigen Aktenraum verstaut werden.
In der Praxis oder dem Krankenhaus von Morgen funktioniert das alles automatisch. Das Ausfüllen des Formulars passiert im Wartezimmer, oder vorab von Zuhause aus, auf dem eigenen Smartphone – am besten ohne Anmeldung oder Installation einer App und in allen Sprachen.
Phase 2: Medizinische Behandlung
In Phase 2 dreht sich alles um die Behandlung der Patienten und deren Aufenthalt. Hier liegt der Fokus also darauf, wie viel qualitative Zeit der Arzt sich für den Patienten nehmen kann.
Patient:innen sind oft aufgeschmissen während ihres Krankenhausaufenthaltes. Für einfache kleine Fragen will man die Schwester nicht holen, wo man eigentlich ist und wo zum Beispiel die Cafeteria ist, weiß man auch nicht. Hier kann man den Patient:innen ein Medium geben, um sich über bestimmte Sachen zu erkundigen. Befunde, Blutwerte, Navigationssysteme für das Hospital und vieles mehr.
Auch digitale Medikationspläne auf dem eigenen Smartphone oder Smartwatch könnten in Zukunft normal sein. Heutzutage werden Patient:innen leider noch zu oft alleine gelassen. Da nicht jeder Arzt ständig überall sein kann, kann Digitalisierung hier deutlich Aushilfe schaffen, ohne in die Arbeitsabläufe groß einzugreifen.
Phase 3: Genesung der Patienten und Nachsorge
In der letzten Phase geht es um die Genesung der Patienten und Nachsorge. Also den nächsten Termin ausmachen, Rechnungen begleichen und allgemeine Nachsorge.
Schon heutzutage gibt es Apps, die sich darauf spezialisieren, Patient:innen, die gerade aus Psychiatrien entlassen wurden, auch weiterhin per Videochat zu begleiten und unterstützen. Ein Großteil der entlassenen Patient:innen aus Psychiatrien enden meist aufgrund von mangelnder Nachsorge wieder im Hospital.
Auch ein nächster Termin oder digitale Medikationspläne sind hier von enormer Wichtigkeit und werden in Zukunft weiterhin ausgebaut.
Ein anderes großes Thema sind Rechnungen. Beim Zahnarzt zum Beispiel kommt die Rechnung für die Zahnreinigung meistens eine Woche nach Arztbesuch per Post und muss dann per Banküberweisung beglichen werden. Dabei wäre es schlauer, effizienter und allgemein angenehmer, einfach die Rechnung sofort übers Handy zu begleichen – und das mit allen gängigen Zahlungsmöglichkeiten? Apple Pay, PayPal, Kreditkarte, wie und von wo man will.
In allen Phasen des Patientenpfades bestehen Potenziale, die Patientenkommunikation zielgruppengerecht zu digitalisieren.
Kann Digitalisierung gefährlich sein?
Die oben genannten Punkte klingen im ersten Moment wie die perfekte Zukunft für Patientenkommunikation, allerdings gibt es viele Menschen, die sich darum sorgen, dass das Vertrauen zwischen Ärzt:innen und Patient:innen geschädigt werden kann. Und obwohl Digitalisierung beiden Parteien erheblich Zeit und Aufwand sparen kann, sind diese Sorgen dennoch ernst zu nehmen.
Wenn es um komplexere Beschwerden geht, dann ist die Nähe und direkte Kommunikation von Ärzt:innen und Patient:innen von enormer Wichtigkeit. Ein großer Teil der Anamnese ist dann eben auch die nonverbale Kommunikation, der Fakt, dass sie vor Ort geschieht usw. Außerdem kann ein Überfluss an Informationen dazu führen, dass Patient:innen sich selbst diagnostizieren und das ist, wie wir alle wissen, meistens nur Panikmache.
Generell darf in der medizinischen Welt eine Sache nicht verloren gehen: das Menschliche!
Und nicht zu vergessen: Die kognitiv oder körperlich eingeschränkten Personen müssen berücksichtigt werden. Diese haben große Schwierigkeiten, mit digitalen Angeboten umzugehen. Um diese Patient:innen vor Isolation und Vereinsamung zu schützen, dürfen wir die Nähe nicht verlieren.
So kann Digitalisierung mit den Menschen arbeiten und diese nicht ersetzen
Das größte Missverständnis liegt darin, dass viele denken, moderne Arbeitsweisen werden die Menschen ersetzen.
Das große Ziel ist jedoch eindeutig, mit den Menschen zu arbeiten und sie in ihren Tätigkeiten zu unterstützen und zu fördern.
Moderne Patientenkommunikation will dem Personal helfen, effizienter und nachhaltiger zu arbeiten und den Patient:innen das Erlebnis einfacher und bequemer zu gestalten, ohne die Nähe und Persönlichkeit der Patientenkommunikation zu verlieren.
“Die Digitalisierung im Spital sollte immer dem einen Zweck dienen: Leben retten, Menschen heilen. Moderne Kommunikationslösungen vereinfachen den Austausch zwischen Patienten, Angehörigen, Ärzten und Pflegenden und unterstützen dort, wo die analoge Interaktion nicht möglich ist. Die Pandemie hat uns allen die Grenzen der «Face-to-Face» Kommunikation und den Nutzen der Videotelefonie aufgezeigt.”
Eric Heer, Sales Engineering Manager Alpine bei Avaya.
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